Mehr Zeit für Kinder

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Wir leben in hektischen Zeiten.

Die Doppelbelastung zehrt auf

Die Hochleistungsgesellschaft fordert ihren Tribut: Ständige Erreichbarkeit über Handy, Multi-Tasking im Job und Zuhause, stillschweigend erwartete Überstunden, Karrieredruck und Bevorzugung kinderloser Arbeitnehmer – die Liste der Belastungsphänomene ist lang. Immer mehr berufstätige Mütter und Väter leiden unter Stresssymptomen, Depressionen, Burn-out oder Angstzuständen.

Wie das Müttergenesungswerk in seinen Berichten feststellt, sind gerade die Belastungen von Müttern im Wachsen. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Mütter mit starken Erschöpfungssymptomen um 37 Prozentpunkte gestiegen: Im Jahr 2003 waren 48 Prozent der befragten Mütter davon betroffen, 2013 schon über 80 Prozent. Die überforderten Frauen halten meist bis zum bitteren Ende durch. Erst wenn sie nicht mehr richtig “funktionieren”, melden sie sich krank.

Der Bedarf an Erholungskuren steigt beständig. Die Ansprüche, die Frauen hier an sich selbst und ihre Leistungsfähigkeit stellen, sorgen dafür, dass die Probleme erst dann auf den Tisch kommen, wenn es fast zu spät ist. Gemeinsam mit einigen Betriebskrankenkassen sind verschiedene Initiativen wie der Mehr Zeit für Kinder e.V. entstanden, die das Thema Entspannung ganz oben auf die Agenda gesetzt haben. Dazu gehören unter anderem auch Workshop-Reihen sowie Maßnahmen in Kindergärten und Grundschulen.

Kinder und Zeitempfinden

Jedes Kind kommt ohne Uhr auf die Welt. In der ersten Zeit des Lebens bestimmt ausschließlich der eigene innere Rhythmus das Tagesgeschehen. Die Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf oder nach Aufmerksamkeit und Nähe sind das alles Entscheidende, bei einem Baby regelmäßiger und bei einem anderen unregelmäßiger.

Wie sehr jedoch die Erwachsenen nach der Uhrzeit laufen, merken die Kinder bald schnell genug. Wann kommt Papa oder Mama nach Hause? Wann gibt es Essen oder darf ich weiterspielen? Der Zeitpunkt, wann Kinder die Uhrzeit lernen, hängt vom jeweiligen Kind ab. Meist geschieht das im Kindergartenalter. Mit Hilfe einer Lernuhr, die leicht selbst zu basteln ist, können Kinder sich Schritt für Schritt mit den Stunden und Zeiten anfreunden. Am schönsten ist es ohnehin, wenn die Zeit immer wieder vergessen werden kann – zum Beispiel beim Spielen oder beim Eintauchen in Geschichten und Erzählungen.

Spätestens mit der Einschulung sollen Kinder selbstständig mit der Uhrzeit umgehen können. Als smarte Alternative zu einer Armbanduhr und statt einem Handy bietet sich eine Smartwatch für Kinder an. Mit einem eingebauten GPS kann die Position des Kindes über das Elternhandy oder den PC geortet werden. Und es muss nicht das fast schon obligatorische Handy oder gar Smartphone sein. Auch wenn es viele andere machen: Mit der Handhabung, den eingebauten Apps und der damit verbundenen Ablenkung sind viele Kinder in der Grundschule eindeutig überfordert.

Zwischen Muttertier und Rabenmutter

Für viele Mütter stellt sich nach der Geburt ihres Kindes die Frage, wie sie ihr neues Leben mit ihrem Beruf und der beruflichen Perspektive vereinbaren können. Zwar steht rein rechtlich den Eltern eines Neugeborenen eine Elternzeit von 36 Monaten zu. In der Realität kann sich das jedoch kaum ein Elternteil leisten, diese drei Jahre komplett in die Kindererziehung zu investieren. So stellt sich gerade für beruflich engagierte Frauen, die nicht ausschließlich Mutter sein wollen, das Problem nach dem Maß und dem Zeitpunkt des Wiedereinstiegs.

Gerade Mütter müssen ihren Wiedereinstieg nach der Babypause besonders gut planen. Manche Arbeitgeber unterstützen Mütter dabei, in der Elternzeit an Weiterbildungskursen und Seminaren teilzunehmen. Die Arbeitsagentur und Bildungseinrichtungen bieten hier verschiedene Wiedereingliederungsmaßnahmen und Trainings an. Ohne eine passende Kinderbetreuung oder Unterstützung der Familie gelingen diese Tipps allerdings nicht.

Wichtig ist für jede Mutter, dass sie sich mit ihrer Rolle als berufstätige Frau wohl fühlt. Die Zeiten haben sich eben verändert und Frauen müssen nicht mehr nur Hausfrau und Übermutter sein. Und andererseits verdienen es Kinder einfach, dass wir so viel Zeit und Aufmerksamkeit wie möglich in ihr Leben investieren. Denn nur so werden aus ihnen gesunde und sozial anpassungsfähige starke Menschen.

Männer wollen mehr Kinderzeit

Auch wenn viele Geschlechterverhältnisse scheinbar unverändert scheinen, bewegt sich in der Identität vieler Väter einiges. Immer mehr Männer wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und erheben Anspruch auf eine Elternzeit. Dieser Wunsch gestaltet sich gegenüber dem Arbeitgeber dann oft schwierig. Viele Unternehmen gewähren heute Vätern nur eine kurze Pause vom Job. Mütter bekommen in der Regel zwölf Monate Mutterschaftsurlaub, Väter in der Regel nur zwei Monate.

Recht unbekannt ist außerdem, dass mittlerweile immer mehr Väter Kuren für Väter in Anspruch nehmen. Die absoluten Zahlen beim Müttergenesungswerk steigen jedes Jahr, darunter sind ein Drittel Alleinerziehende. Als Hauptverdiener sind auch sie in einer überbelastenden Situation und kommen mit einem Vollzeitjob und den Ansprüchen der Familie an ihre Grenzen. Für die betroffenen Männer ist es nicht leicht, dies zuzugeben. Das kollidiert mit dem Bild des starken Mannes.

FAZIT: Zeit ist mehr als Geld

Auf allen Gesellschafts-Ebenen wird Zeit ein immer wertvolleres Gut. Oft ergeben wir uns dem höchsten hier gesetzten Druck, meist von Arbeitgebern oder dem beruflichen Umfeld. Sich nach getaner Arbeit dann noch mit dem quengelnden Kind oder der vorpubertären Tochter auseinandersetzen, erscheint vielen dann schnell als das Quäntchen, was zu viel ist. Eines sollten die gestressten Elternteile an der Stelle beachten: Für Eltern ist es ein Teil ihres übervollen Alltags – für das Kind ist es ein Teil der Kindheit. Eine Zeit des Lebens, die nie wieder zurückkehrt – und an die selbst Eltern beim Spielen mit den Kindern wieder anknüpfen können.

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