Verse über Schnee und Eis

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Viele wunderschöne klassische und moderne Wintergedichte. Gedanken rund um Schnee, Eis und Kaminfeuer.
 
Dezemberlied

Harter Winter, streng und rauch,
Winter, sei willkommen!
Nimmst du viel, so gibst du auch,
Das heißt nichts genommen!

Zwar am Äußern übst du Raub,
Zier scheint dir geringe,
Eis dein Schmuck, und fallend Laub
Deine Schmetterlinge,

Rabe deine Nachtigall,
Schnee dein Blütenstäuben,
Deine Blumen, traurig all
Auf gefrornen Scheiben.

Doch der Raub der Formenwelt
Kleidet das Gemüte,
Wenn die äußere zerfällt,
Treibt das Innere Blüte.

Die Gedanken, die der Mai
Locket in die Weite,
Flattern heimwärts kältescheu
Zu der Feuerseite.

Sammlung, jene Götterbraut,
Mutter alles Großen,
Steigt herab auf deinen Laut,
Segenübergossen.

Und der Busen fühlt ihr Wehn,
Hebt sich ihr entgegen,
Lässt in Keim und Knospen sehn,
Was sonst wüst gelegen.

Wer denn heißt dich Würger nur?
Du flichst Lebenskränze,
Und die Winter der Natur
Sind der Geister Lenze!

— Franz Grillparzer

Im Winter

Der Acker leuchtet weiß und kalt.
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
Dohlen kreisen über dem Weiher
Und Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten
Und langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am Rain
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.

— Georg Trakl

Altes Kaminstück

Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.

Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergessne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.

Schöne Frauen, mit kluger Miene,
Winken süßgeheimnisvoll,
Und dazwischen Harlekine
Springen, lachen, lustigtoll.

Ferne grüßen Marmorgötter,
Traumhaft neben ihnen stehn
Märchenblumen, deren Blätter
In dem Mondenlichte wehn.

Wackelnd kommt herbeigeschwommen
Manches alte Zauberschloss;
Hintendrein geritten kommen
Blanke Ritter, Knappentross.

Und das alles zieht vorüber,
Schattenhastig übereilt -
Ach! da kocht der Kessel über,
Und das nasse Kätzchen heult.

— Heinrich Heine

Winternacht

Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!

Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! Friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heißbewegte Wilde!
Das einmal Ruh' mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde.

Dort heult im tiefen Waldesraum
Ein Wolf;-wies Kind aufweckt die Mutter,
Schreit er die Nacht aus ihrem Traum
und heischt von ihr sein blutig Futter.

Nun brausen über Schnee und Eis
Die Winde fort mit tollem Jagen,
Als wollten sie sich rennen heiß:
Wach auf, o Herz zu wildem Klagen!

Laß deine Toten auferstehn
und deiner Qualen dunkle Horden!
Und laß sie mit den Stürmen gehn,
Dem rauhen Spielgesind aus Norden!

— Nikolaus Lenau

Winter

Wenn sich das Laub auf Ebnen weit verloren,
So fällt das Weiß herunter auf die Tale,
Doch glänzend ist der Tag vom hohen Sonnenstrahle,
Es glänzt das Fest den Städten aus den Toren.

Es ist die Ruhe der Natur, des Feldes Schweigen
Ist wie des Menschen Geistigkeit, und höher zeigen
Die Unterschiede sich, dass sich zu hohem Bilde
Sich zeiget die Natur, statt mit des Frühlings Milde.



— Friedrich Hölderlin

Der erste Schnee

Der erste Schnee hat auf die weite Welt
Still über Nacht das weiße Tuch gebreitet,
Die Häuser sind wie weißes Zelt an Zelt,
Baum, Weg und Steg in schimmernd Weiß gekleidet.

Und wie ich so vom warmen Stübchen seh'
In's weiße Dorf und auf die weißen Auen,
Kommt über mich, mit tiefem Wohl und Weh,
Ein wacher Traum, ein helles innres Schauen.

Zum bunten Tuche wird das bleiche Feld,
Drauf Bild um Bild sich warm in Farbe malet,
Und einen Christbaum seh' ich aufgestellt,
Der buntbehängt, von Harze duftend strahlet.

Die Mutter steht und breitet Gaben aus,
Die Kinder sind im Kämmerlein gefangen
Und ängsten sich, ob nicht die Welt in Graus
Vergehen könnt', eh' sie den Christ empfangen.

Es ruft, der große Augenblick ist da,
Der Vater holt uns zu des Himmels Schwelle;
Wie leuchtet bei dem wonnevollen Ah!
Sein braunes Aug' in milder, warmer Helle!

Er ahnet nicht, wie bald er scheiden muß,
Als arme Waisen seine Kinder lassen.
Noch heute seh' ich, wie den letzten Kuß
Die Mutter auf die Lippen drückt, die blassen.

Das Leben eilt. Schon winkt ein heitres Bild,
Ein Kloster steht im Felsenthal geborgen.
Da blühen Knaben, frisch und gut und wild,
Gefüllte Knospen in des Lebens Morgen.

Sie öffnen sich am starken, reinen Strahl,
Geist strebt an Geist, im Tausche sich zu laben,
Und staunend fühlen sie zum ersten Mal,
Wie tief das Glück ist, einen Freund zu haben.

Wohl mir zum reichen jugendlichen Bund!
Ich bin nicht ich allein, ich habe Freunde!
Ich grüße fern, doch nah, mit Herz und Mund,
Ein fröhlich Glied, die fröhliche Gemeinde.

Und noch! Was keimt noch, will an's Tageslicht?
Was les' ich noch im bilderreichen Buche?
Der ersten Liebe selig Traumgesicht
Spinnt sich und webt auf meinem weißen Tuche.

Was steigt, was taucht blondlockig aus dem Schnee
Und blickt mich an mit klarem Kinderauge?
Komm, theures Haupt, daß ich in's Aug' dir seh',
Den lautern Quell, woraus ich Frieden sauge.

Im Busen weht es wie ein lauer Wind.
Thaut mir's im Auge? Will der Schnee zerfließen?
Kommt alle, kommt! Ein liebesehnend Kind
Will euch in seine treuen Arme schließen.

— Friedrich Theodor Vischer

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